Auto Bild Ausgabe 24/96 von 15.06.1996
Zeitreise Toyota 2000 GT


     Toyota 2000 GT

     Er hatte alles was ein Sportwagen braucht. Er war stark, schnell und sah gut aus. So gut, daß er sogar ein Filmstar wurde. Trotzdem wollte ihn keiner haben. Sein Problem: Er heißt Toyota und wurde als Sportwagen nicht akzeptiert. Es reicht eben nicht, nur gut zu sein

     Drei Jahre lang gebaut (von 1967 bis 1970), 443 Stück - der 2000 GT war ein Flop. In Deutschland gibt es keinen. Wer jetzt einen der 127 noch lebenden GT importieren wollte, hätte größte Probleme: Das Auto ist in Deutschland nicht homologiert, eine Zulassung fast unmöglich (Einzelabnahme!). Die Preise: ab 150000 Dollar aufwärts, aber Verkaufsofferten japanischer Sammler sind nicht bekannt, und das wird auch wohl so bleiben.

     Zwei Notsitze mit Motor, die vor einem buddhistischen Tempel auf der japanischen Halbinsel Chiba halten. Eine silbrig glänzende Katze auf vier Rädern, die mit unverschämt langer Schnauze und bulliger Geducktheit im Land der aufgehenden Sonne unter den gesichtslosen motorisierten Reisschüsseln auffällt wie eine Langnase unter Schlitzaugen. Und dann noch das aggressive Auspuffgebell!
     Ein Jaguar E-Type auf Abwegen? Der britische Ballermann, von vielen noch heute als der schönste Sportwagen überhaupt und das männlichste Auto aller Zeiten betrachtet, als Hai im Lotusgarten auf Beutezug?

     Wir reiben uns verblüfft die Augen und schauen noch einmal hin. Kein Zweifel, er ist schön, extravagant und atemberaubend. Ja, er ist so macho, daß uns sofort der Kabarettist Wolfgang Neuss einfällt, der den Jaguar einmal ei- nen "geradezu schweinisch geil aussehenden Penis auf vier Rädern" genannt hat. Genau! Schon im Stehen sieht er aus, als sei er reif für die Radarfalle. Doch ein E-Type ist er nicht. Nur so ähnlich. Der Toyota 2000 GT ist eine Kopie. Die fernöstliche Variation eines alten Themas. Gran Turismo aus Nippon und der (gelungene) Versuch von Japanern, uns allen zu beweisen, daß ihnen nichts unmöglich ist. Und schon gar nichts heilig.

     Sechs Jahre jünger ist er als die Vorlage aus England, die ab 1961 die Männer dieser Welt heiß machte. Ein bißchen höher, etwas kürzer, kein Corinolly-Leder, weniger Chrom und ohne altenglische Patina im Innenraum dennoch unverkennbar eine Mutation des Männer-Autos von der !nsel: 50 Prozent der Gesamtlänge sind Schnauze,allerdings g!atte hundert Prozent des Gesamteindrucks Jaguar.

     Ein Klon, doch kein Clown. Bei aller Ähnlichkeit kein lächerliches Auto. Keine Mitleid erregende billige Imitation, sondern ein aus kaltem Kalkül geborenes Produkt, das der Welt schon 1967 zeigen sollte: Wenn Japaner etwas wollen, dann schaffen sie es auch. Sie schaffen es mit billigen Kompaktwagen, die den Globus überschwemmen. Mit Uhren, Elektrogeräten, Motorrädern, Transistor- und Tonbandgeräten, Büromaschinen, Taschenrechnern und mit Präzisions-Kugellagern, die die abendländische Konkurrenz in den Ruin treiben. Und jetzt also als Visitenkarte, als Meisterstück ein Gran-Turismo-Wagen auf höchstem technischem Niveau, der nach den Sternen greifen soll. Nach, wie sich allerdings zeigte, unerreichbaren Sternen.

     Denn zu eng, zu geduckt, zu sperrig und zu ungewohnt ist der 2000 GT, als daß ihm weltweit irgend jemand große Kränze gewunden hätte. Und außerdem: Wer damals schon 20000 Dollar für ein Auto ausgeben konnte, kaufte mit Sicherheit alles, nur keinen Toyota. Gerade mal 443 Exemplare seiner Sorte wurden in drei Jahren Produktionszeit gebaut, 115 davon exportiert, die meisten in die USA, einzelne aber auch in solch entlegene Regionen wie Curacao, EI Salvador, Mocambique und Ghana.

     Nach Deutschland kam keiner. Kein Wunder, denn 1967 waren hierzulande die ersten Toyotas nur bestaunte, auf Mitleid, Häme und Unverständnis treffende Exoten aus einem fernen Land, das eben anfing, unserem Geschmack so gar nicht entsprechende Autos zu exportieren.

     1966 hatte Toyota gerade mal 5900 Autos in Europa abgesetzt. Und dann bot sich unverhofft die Riesenchance weltweiter Publicity: James Bond brauchte ein Auto. Toyota, das 1921 von Sakichi Toyoda als Textilmaschinen-fabrik gegründet wurde und sich erst 1936 einen Zweig zur Automobilherstellung zugelegt hatte, griff sofort zu, koste es, was es wolle. In Windeseile fertigte Toyata eine Cabrio-Version des 2000 GT, und man bekam, was man wollte: Public Relations ohne Ende für ein fotogenes Auto, das zudem auch technisch alles andere als ein Bluffer war. "Du lebst nur zweimal" hieß der Streifen, und Sean Connery, der einzigwahre James Bond, machte den Namen Toyota auf einen Schlag weltweit bekannt. Es gab den Toyota nur als Rechtslenker. Das Lenkrad links hatte allein die Spezialan-fertigung für James Bond.

     Der Sechszylindermotor mit 150 PS stammt vom Zweiliter-Crown und wurde vom Motorradspezialisten Yamaha für die Bedürfnisse eines GT-Wagens frisiert: zwei obenliegende Nockenwellen, drei Doppelvergaser, siebenfach gelagerte Kurbelwelle. Auch der Rest war vom Feinsten: Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen für alle vier Räder,vollsynchronisiertes Fünfganggetriebe. Der GT war ein wahrer High-Tech-Riese seiner Zeit, in der seine normalen japanischen Kollegen mit lahmen Motoren, holpernden Starrachsen hinten, miserablen Trommelbremsen jeden Autofan verschreckten. Sa war er 200 km/h schnell und in einer Rennversion mit 200 PS auch fit für Siege.

     Er hatte theoretisth alles, was man braucht, um zur Sportwagen-Legende zu werden. In Japan jedenfalls. Wo man alles hat, nur keine automobile Tradition. Deshalb ist der Toyota 2000 GT inzwischen auch der teuerste japanische Oldtimer überhaupt: 20 MiIlionen Yen wurden Herrn Yamamoto, dem Besitzer unseres Vorzeige-Modells, schon geboten. Das sind nach heutigem Umwechselkurs etwa 200000 Dollar, also rund zehnmal mehr, als er 1967 gekostet hat. Herr Yamamoto aber, der in Tokio in der dritten Generation einen schwunghaften Alkohol-Handel betreibt, lächelt über derart unsittliche Anträge nur:

     "Was ist Geld gegen Prestige und Status? Mir gehört der erste Gran-Turismo-Wagen Japans. Ein Auto, viel schöner als der E-Type, dessen Proportionen doch gar nicht stimmen. Sanfter, glatter, wohlgefälliger als alle Ferrari, Lamborghini und Lotus Elan zusammen."

     Hai! Wir haben verstanden. Über Geschmack kann man nicht streiten. Und so wahren wir auch stoisch das Gesicht, als dem Toyota 2000 GT vor dem buddhistischen Tempel in Chiba von einem Gottesdiener ein typisch japanischer Segen für ein unfallfreies Leben zuteil wird: Ju (langes Leben) und Wa (Harmonie) für 10 000 Yen (100 Dollar). Mehr hätte der echte E-Type dafür auch nicht bezahlen müssen.

JÖRG WIGAND

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