Auto Motor Sport Ausgabe 08/87 von 11.04.1987
Fahrbericht Toyota Supra 3.0i Gruppe A

Schnell am Kilimandscharo

    Noch keine Rallye gelaufen, trotzdem Safari-Favorit: Fahrbericht Gruppe A-Toyota Supra 3.0i.

    Die Sauna ist nach wenigen Metern aufgeheizt. Die stechende Äquatorsonne und die dröhnende Maschinerie sind flinke Partner. Gemeinsam lassen sie die Cockpit-Temperatur zügig in Richtung Glutofen zucken. Jede Lenkrad-drehung wirkt auf den Körper wie ein Aufguß, jeder Atemzug entfacht in den verhätschelten Nüstern einen mittleren Schwelbrand. Das große Ziel aber fest im Visier, können einen keine Nadelstiche von der Ideallinie drängen. Für Toyota heißt das Ziel: der vierte Safari-Sieg in Folge, auch wenn ihre Supra bislang noch keine Rallye gesehen hat.

    Das Erbgut dreier Safari-Siege drückt den Safari-Neuling heftig in die Federn. Und dabei hat der neue Toyota keinen Allradantrieb, noch nicht einmal einen Turbolader. Er baut auf ein stabiles Chassis, ausreichend lange Federwege und einen standfesten Dreiliter-Sechszylindermotor.

    Und er hat schon ein lockeres Aufwärmtraining hinter sich. Kein warm up, das nur eine halbe Stunde dauert, sondern ein Fitneßprogramm, das bereits im letzten November begann. Weit über 10 000 Kilometer wurde der Supra von Björn Waldegaard über die übelsten Buschpfade geknüppelt - und dabei blieb natürlich auch der Sauna-Effekt nicht verborgen. An dem schattigsten Cockpit-Plätzchen kletterte das Thermometer auf 48 Grad. Findig, wie erfahrene Buschmänner nun einmal sind, schlugen sie dem Supra ein-fach zwei Löcher ins Dach, reduzierten die Innentemperatur damit um zwölf Grad - und lieferten der FISA gleich noch eine geschmeidige Definition für diese Karosserie-Variante: Die beiden kleinen Dach-hutzen sind verstellbar und werden einfach als "Sonnendach" deklariert - wer kann gegen einen solchen Phantasie-Schlenker schon etwas einwenden?

    Die ersten Tests brachten aber nicht allein zu Tage, daß es in dem Supra heiß zugeht, sie zeigten auch, daß der neue Gruppe A-Wagen trotz seines Leistungs- und Gewichtshandikaps - er ist l00 Kilogramm schwerer und 125 PS schwächer - gar nicht so weit hinter dem Celica Turbo hinterherhinkt. Erreichte der Celica Tempo 234, so muß der Supra mit 212 km/h in der Savanne leben. War der Celica nur mit großem Aufwand um enge Ecken zu führen, so entpuppte sich der Supra mit neuer Einzelradaufhängung als wahres Multitalent: handlich in engen Biegungen, spurtreu auf den schnellen Rüttelpisten.


    Wichtig auf den schnellen Buschbahnen ist, daß man die richtige Marschgeschwindigkeit findet. Zu langsam, plumpst man tollpatschig in jedes Loch; zu schnell, katapultiert man sich von der Strecke. Bei richtigem Tempo ist es eine Art sanftes Gleiten. Räder, Aufhängungen, Dämpfer und Federn pendeln die Wellen mehr oder weniger elegant aus, und das Chassis dümpelt dabei nur wie ein Boot in sanfter Dünung.

    Mit Löchern und Kanten verstehen Rallye-Fahrer zu leben. Was ihnen weit mehr zu schaffen macht: der Gegenverkehr. In Kenia wird Iinks gefahren was nicht heißt, daß man sich daran hält. Auf den Rüttelpisten sucht sich einfach jeder den besten weg - links, rechts oder in der Straßenmitte. Nicht zuletzt deshalb strömt Lars-Erik Torph, der Benjamin des Toyota-Teams, stets mit dem linken Fuß auf dem Brernspeda1 durchs Land. "Ich kann so schneller auf Probleme reagieren - und ich kann den Motor dabei auf Drehzahl halten." Nicht einmal zum Schalten wird der linke Fuß verrückt. Braucht er auch nicht, denn der Toyota hat ein spezielles Fünfgang-Getriebe, das auch ohne Kupplung leben kann - ohne Synchronringe, dafür mit hinterschliffenen Kanten auf der Schaltmuffe und Vertiefungen auf den Gangrädern (die Schaltmuffe selbst übernimmt Synchronisierarbeit).

Melander und Torph

 

    Die Engländer bezeichnen diese Art von formschlüssiger Verbindung "dogcone", was wörtlich übersetzt Hunde-konus heißt und wohl bedeutet: Nur wer, seinen inneren Schweinehund überwindet, kann mit diesem Getriebe leben. Wer den Schalthebel verhätschelt, der erntet ein zorniges Räderrasseln. Bei der rechten Drehzahl und dem rechten Druck am Schalthebel ist der Gangwechse1 ein hautnahes Erlebnis: Man spürt förmlich, wie sich die Räder satt verkrallen und wie sich der Toyota mit einem Ruck weiter nach vorn stößt.

    Aus dem Stand muß man natürlich die Kupplung bemühen. Und da stößt man schon auf die erste Hürde. Prinzipiell kristallisieren sich zwei Start-Möglichkeiten heraus: Entweder man läßt das Kupplungspedal bei niederer Drehzahl schnell rausschnalzen, wartet geduldig, bis sich der Sechszylinder unter heftigen Gaspedal-stößen aufrappelt - und lebt damit, daß sich die Massai am Wegrand enttäuscht abwenden und sich fragen: "Wo hat dieser Torph nur das Autofahren gelernt?" Oder man läßt den Toyota mit viel Drehzahl, schleifender Kupplung und übermütig rotierenden Hinterrädern aus dem Startloch springen.

    Die Mechaniker bekommen bei solchen Gelegenheiten gern einen traurigen Blick. Die Mohren aber hat man zu einer ergriffenen und frohgelaunten Fangemeinde verschweißt.

    Hat man die Höhen und Tiefen der Toyota-Fahrt bereits auf den ersten Metern durchlebt, so spendet der Sechszylinder-Reihenmotor anschließend mit seiner kernigen Stimme Trost. Schade nur, daß sich die Rallyefahrer im Cockpit sofort die Ohrenschützer überstülpen und diesen vollen Klang aussperren. Bei 6600 Touren soll der Saugmotor 260 PS leisten-was angesichts seines Antritts eher etwas tiefgestapelt wirkt. Das Drehzahllimit liegt bei 7000/min, aber schon ab knapp über 3000 Umdrehungen geht es zügig voran. Hinter dem breiten Drehzahlband verbirgt sich ein ausgefeiltes Drosselklappen-System: Bei niederen Drehzahlen muß die Ansaugluft einen langen Weg zurücklegen. Oberhalb von 4500 Touren öffnet sich eine zweite Drosselklappe im Ansaugtrakt, der Ansaugweg wird verkürzt, der Querschnitt vergrößert, die Leistung steigt. Nicht alle Goodies aus der Serie eignen sich für die Busch-Tour: Eine elektronische Anfahrhilfe, die beispielsweise bei übermütigen Ampelstarts automatisch den Zündzeitpunkt zurücknimmt und damit das Drehmoment senkt, blieb auf der Strecke. Dafür bekam der Buschpilot ein zusätzliches Accessoire spendiert: Einen Drehknopf, über den er vom Cockpit aus die Einspritzdauer variieren kann. Die Zeiten, als man zwischen Nairobi und Mombasa dem Höhenunterschied mit einer anderen Düsenbestückung begegnete, sind im Zeitalter elektronisch gesteuerter Einspritz- und Zündanlagen vorbei. Und reicht die Cockpit-Verstellung nicht aus, dann gibt es beim Service einen neuen Chip mit geändertem Kennfeld für Zündung und Einspritzung.


    Trotz aller Raffinessen, der Sechszylinder zieht sich auf 100 Kilometer doch zwischen 35 und 42 Liter Benzin in die Brennkammern. Dabei ist der Saugmotor noch genügsam - man kommt mit einem 120 Liter-Tank über die Runden, während die Turbo-Konkurrenz auf langen Etappen bis zu 220 Llter Kraftstoff bunkern muß. Die großen Tanks drücken etwas aufs Gewicht. Glaubt man seinen Baumeistern, dann ist der Toyata 1350 Kilogramm (Serie 1583) schwer. Dafür ist das junge Automobil aber auch so stabil, "daß wir noch einiges abspecken könnten, wenn es das Reglement erlauben würde", wie der neue Toyota-Ingenieur Karl-Heinz Goldstein erklärt. Aber für 4000 harte Safari-Kilometer würde ohnehin niemand sein Auto erleichtern - eher zusätzlich verstärken.

    Die Stärken der Toyota-Auftritte sind leicht auszumachen: die Standfestigkeit der Autos und das ausge-klügelte Servicenetz. Dirigiert wird die 60 Mann starke Heerschar von Ex-Beifahrer Henry Liddon, der sein Büro während der Rallye in einem zweimotorigen Flugzeug einrichtet. Die wichtigsten Fakts kommen für Björn Waldegaard allerdings aus einem zweiten Flugzeug, das recht niedrig seinem Toyota vorausfliegt und ihn vor Gegenverkehr oder Wegfallen warnt. Und nicht allein der routinierte Schwede profitiert von dieser Luftsicherung. Über Funk gibt er die Warnungen an seinen direkt hinter ihm startenden Kollegen Lars-Erik Torph weiter. Kein Wunder, daß der Youngster schwärmt: "Waldegaard ist hier der King - aber ich werde ihn schlagen." Und da kann ihn auch Henry Liddons pessimistische Prognose nicht erschüttern: "Diese Safari wird für alle ein Desaster." Bis auf Volkswagen und Subaru sind alle anderen Firmen erstmals mit ihren Gruppe A-Autos im Busch. Die 4000 Kilometer werden die meisten metzeln, für Torph aber gibt es keinen Zweifel, daß sein Supra mit der Startnummer vier überleben wird: "Unser Auto ist das stabilste."

Bernd Ostmann

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